Historische Laute und spanische Gitarre sind – hinsichtlich des angestrebten Klangbildes – nahezu gegensätzlich konzipiert. Sie repräsentieren zwei eher konträre Enden eines Spektrums, dessen Mitte bis heute unbesetzt blieb. Dem silbrigen, jedoch wenig modulationsfähigen und auf ein antikes Repertoire zugeschnittenen Ton einer alten Laute steht die beeindruckende Expressivität der wesentlich tiefer abgestimmten spanischen Gitarre gegenüber. Dieser mangelt es dafür besonders im Ensemblespiel an Durchsetzungsvermögen, und ihr geringer Tonumfang in der Tiefe legt den Spielern schmerzliche Beschränkungen auf.
Der helle, obertonreiche Klang historischer Lauten vermag bis zu einem gewissen Grad ihre unzureichende Lautstärke zu kompensieren. Das hinderte pragmatische Zeitgenossen wie Jean-Baptiste Lully (1632-1687) jedoch nicht, über das „Mückengesumm” dieser Instrumente zu spotten.
Nehmen Gitarristen eine Laute in alter Bauweise erstmals zur Hand, sind sie gewöhnlich über die geringe Klangdauer ihrer Töne verwundert. Sie scheint im Widerspruch zu dem beachtlichen Luftvolumen zu stehen, welches das Lautenkorpus in sich schließt. Beim Anschlag entsteht oft der Eindruck, als nähmen „die Saiten das Instrument nicht mit” und als können sie die darin enthaltene Luft nur zum Teil in Schwingung versetzen.
Die Bässe chörig bezogener historischer Lauten wiederum sind eher pompös als sonor. Sie verbergen ihren Mangel an Grundton unter dem Rauschen der beigefügten Oktavsaiten und erzeugen so ein imaginäres Volumen, das der Fülle eines barocken Reifrocks vergleichbar ist.
Die Biedermeiergitarre vermochte die altersschwach gewordene Laute als Musikinstrument zwar nicht zu ersetzen, übertraf sie jedoch bei weitem an Kantabilität und klanglichen Gestaltungsmöglichkeiten. Des rauschenden Gewands der Oktavsaiten beraubt, fehlt ihren Bässen allerdings außer jenem Grundtonanteil, der tiefe Töne zu wirklichen Bässen macht, auch schlichtweg das erforderliche Luftvolumen.
Als die Gitarre dank des Genies von Antonio de Torres in der Mitte des 19. Jahrhunderts dann aber ihre neue Korpusform und ein sonores Baßregister erhielt, war sie – wie Julian Bream treffend bemerkt – „erwachsen” geworden und zu einem vollwertigen Recital-Instrument herangereift. Der Boden für die großen Spielerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts war bereitet.
Ich hatte verschiedentlich Gelegenheit, Gitarren von Torres auszuprobieren. Beim bloßen Anschlagen ihrer Bässe wurde mir klar, warum das Biedermeierinstrument ausgedient hatte, seitdem dieser wunderbar warme, celloartige Klang in die Welt gekommen war. Jeder Klang hat jedoch seinen Preis. Diskant und Mittellagen spanischer Gitarren sind wesentlich dunkler als die der Biedermeiergitarren und heben sich weniger von den Baßsaiten ab. Es ist offensichtlich, daß ein Instrument von so gedecktem Klangcharakter und so tiefer Korpusabstimmung sich kaum in einem Ensemble behaupten kann, wenn seine Saiten angeschlagen und nicht gestrichen werden.
Ob diese von Torres geschaffene „spanische” Gitarre hinsichtlich ihrer Tonschönheit, Tragfähigkeit oder anderer musikalischer Qualitäten durch neuere Entwicklungen des Gitarrenbaus übertroffen wird, sollen andere beurteilen. Ich wage jedoch zu behaupten, daß hinsichtlich noch möglicher Veränderungen (insbesondere in puncto Ensemblefähigkeit) die bisherige Laute auch im Vergleich mit den im 20. Jahrhundert weiter ausgereizten Gitarren das weitaus größere Entwicklungspotential besitzt. Dies ist vor allem durch die grundsätzlich verschiedenen Bauweisen der beiden Instrumente bedingt. Lassen Sie mich – unabhängig von Spieltechnik und Besaitung – auf die augenfälligsten Unterschiede eingehen.